2015-02-14 Ein Überblick über das, was man sieht und was man nicht sieht.

Vorspiel:

Angeregt wird dieser Text durch einen Versuch: man nehme eine geschickt gewickelte Spule, eine Batterie, einen Transistor und eine Leuchtdiode. Heraus kommt ein Joulethief, ein Energiedieb, der der Batterie die Energie zum Betrieb der Leuchtdiode entzieht. Nichts weiter als ein einfacher Schwingkreis, der eine "Niederspannung" in eine "Hochspannung" transformiert.

Bei selbstgebauten Spulen, beliebig rumliegenden Transistoren und Leuchtdioden sind die Betriebsparameter alles andere als bestimmt. Und die Trägheit des Auges tut ihr übriges, um nicht zu erkennen, was wirklich passiert.

Wenn man nun mit dem Digitalmultimeter die Spannung an der Leuchtdiode misst, was misst man dort?

Hauptteil:

Digitale Multimeter sind ziemlich brauchbar, wenn man Gleichspannungen messen will.

Aber was passiert, wenn man Wechselspannungen misst? Und was, wenn diese Wechselspannung nicht sinusförmig ist? Was, wenn sie mehr oder weniger zufällig ist?

Also mal mit der vorhandenen Messtechnik nachgucken:

Teilnehmer sind ein Schlumberger 7150 plus, relativ frisch referenziert. Und ein 20-Euro-DMM Vichy VC 97. Als Oszilloskop kommt ein preisgünstiges Voltcraft DSO-1062D (Hantek DSO5062B, Tekway DST1062B) mit 8-Bit-ADC.

Für den ersten Versuch habe ich einen Rechteckgenerator mit einem 555 aufgebaut. Er erzeugt eine einfache Rechteckspannung mit ungleichen 0-1-Phasen.

Die 0-Phase ist 560 µs lang, die 1-Phase so um 800 µs. Ergibt zusammen 1360 µs oder 735 Hz.

Die Genauigkeit eines Oszilloskop ist meist nicht hoch genug, um diese Werte exakt zu bestimmen. Das liegt im Kern an allerlei Ursachen: a.) Bitauflösung des Wandlers, b.) Genauigkeit des Verstärkers, c.) die Ablesung erfolgt optisch durch Positionieren von Strichen in anderen Strichen auf dem (niedrig auflösenden) Bildschirm, d.) die Darstellung ist eine (schwankende) Momentaufnahme, e.) Konstruktionsziel ist meist die Wiedergabe der Kurve, nicht die exakte Spannung- bzw. der exakte Zeitverlauf, f.) der Triggerpunkt arbeitet (prinzipbedingt) nicht 100% gleichmässig, verschiebt also jedes Mal die Kurve, etc etc.

Mal geschätzt: 10 V messen. ADC: 8 bit -> das letzte Bit löst also 0,04 V auf. Verstärkergenauigkeit bei 3%.

Das Oszilloskop liefert folgende Werte: Frequenz 730,9 Hz, 3,6 V Höchst zu Tiefst, 1,96 V Mittelwert und 2,06 V periodischen Mittelwert.

Ein billiges Digitalmultimeter liefert 2,042 V und mein schönes Schlumberger 7150 meint 2,0330 V dazu.

Feinheiten ignoriert und grob draufgeguckt sind die drei sich mit 2.04/2.03/2.06 V periodischer Mittelwert einig.

Was immerhin 1.6 Volt weniger als die Spitzenspannung ist.

Berechnen wir nun einmal den Flächenmittelwert.

U = 800 µs * 3,6 V / 1360 µs = 2,11 V

Das ist ziemlich nahe am periodischen Mittelwert. Nahe genug? Messen die Digitalmultimeter einen Mittelwert?

Insgesamt unbefriedigend. Also noch ein paar Versuche. Und glücklicherweise liegt noch ein DAC rum, den man programmieren kann.

Mit dem DAC werden via Arduino (klar!) nachvollziehbare Spannungen periodisch erzeugt.

Periodendauer: 9,16 ms
Spannung Spitze Spitze: 4,84 V

Ergibt eine Mittelspannung von 2,42 Volt.

Vichy meint 2,323 V, Schlumberger 2,312 V und das DSO 2,40 V.

Nächster Versuch: ein nicht linearer Verlauf.

Gesamtperiodendauer: 11 ms (5 * 2,2 ms)
Spannung Spitze Spitze: 4,84 V
Teilspannungen: 0,56 V, 2,52 V, 3,88 V

Mittelspannung U = (2,52*2,2 + 0,56*2,2 + 3,88*2,2 + 4,84*2,2)/11 V = 2,36 V

Vichy meint 2,281 V, Schlumberger 2,327 V und schwankt so +-0,01 V und das DSO 3,08 V.

Tja. Das Schlumberger liefert keinen so richtig stabilen Messwert mehr, aber beide liegen nahe am Mittelwert. Das DSO kommt mit der Welt überhaupt nicht mehr klar, die Frequenz ist falsch (ist 90 Hz) und der Mittelwert weit ab.

Noch ein Versuch.

Gesamtperiodendauer: 42,6 ms (20,2 ms, 40,4 ms)
Spannung Spitze Spitze: 4,8 V
Teilspannungen: 2,48 V

Mittelspannung U = (2,48*(40,4-20,2) + 4,8*(42,6-40,4))/42,6 V = 1,42 V

Vichy meint 1,38 V +-0,02 V, Schlumberger 1,37 V +-0,1 V und das DSO 1,48 V.

Ergebnis:

Komplexere Spannungsverläufe lassen sich mit einem Digitalmultimeter nicht wirklich messen. Liegt nur ein DMM vor ist nicht entscheidbar, ob wirklich eine Gleichspannung gemessen wird.

Beim DSO sollte man genau hingucken, was es ausrechnet.

Ergebnis 2: Abhilfe täte ein DMM schaffen, dass während der Signalabtastung auch noch einen Varianzwert oder ein Min-/Max-Wert ermittelt und anzeigt. Das hilft in der exakten Betrachtung zwar auch nicht, aber es könnte zumindest das Verlassen des gesicherten Messbereichs signalisieren.